„Rasenflächen sind Leichentuch des Baumes“

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Fachmann informiert Ausschussmitglieder zum Thema Stadtbäume – CDU Bad Vilbel: „ Alte Modelle zur Baumpflanzung sind überholt“

BAD VILBEL. Was kann Bad Vilbel dafür tun, noch grüner zu werden? Wie können angepflanzte Jungbäume überleben? Welche Baumarten können mit den Folgen des Klimawandels umgehen? Fragen, auf die der Planungs-, Bau- und Umweltausschuss in seiner jüngsten Sitzung Antworten bekommen hat.

Im Rahmen der Vortragsreihe rund um städtisches Grün und Bäume hatte der Ausschussvorsitzende Jens Völker den Experten Mark Pommnitz eingeladen. Pommnitz, der nicht nur ausgebildeter Förster sowie studierter Forstwirt ist, sondern in seiner Vergangenheit lange im Garten- und Landschaftsbau tätig war, beschäftigt sich als Sachverständiger bereits seit über zehn Jahren mit Stadtbäumen und standortgerechter Pflanzung. 

Für Pommnitz ist klar: „Die fach- und standortgerechte Pflanzung von Jungbäumen wird in den nächsten zehn bis 20 Jahren ein großes Thema werden.“ Standortgerecht meint, dass die Ansprüche, die ein Baum an seinen Lebensraum stellt, mit den Umweltbedingungen am Standort übereinstimmen. 

Käfighaltung für Bäume

Der ideale Standort für einen Baum ist – wenig überraschend – der Wald. Hier, so erläutert der Experte, ist der Boden reich an Mikroorganismen und Bodenfeuchtigkeit mit vorwiegend unverdichtetem, lockerem Substrat. Die Durchlüftung ist gut, die Bäume schützen sich gegenseitig vor Windbewegungen.

Verlassen wir den Wald und bewegen uns Richtung Stadt, so landen wir in den vielen Parks und Grünanlagen. Zwar schlängeln sich stark verdichtete Wege und Rasenflächen durch die Anlagen, allerdings sind die Böden in diesen Bereichen noch lebendig (aktiver Boden). 

Gehen wir jedoch weiter, erreichen wir die Vorgärten. Hier beginnt laut Pommnitz bereits der Grenzbereich. Bäume leiden unter massivem Nährstoffentzug und hoher Verdichtung der Böden. Zusätzlich strahlen Bauten und Beton Wärme ab, sodass sich die Bäume ständig in einer aufgeheizten Stresssituation befinden. 

Wer glaubt, die Reise sei hier zu Ende, der irrt – es geht noch schlimmer. So beschreibt Pommnitz das Begleitgrün der Wege und Straßen als „Käfighaltung für Bäume“. Kaum Raum für die Wurzeln, hochgradige Verdichtung und Versiegelung führen dazu, dass im Boden keine aktiven Prozesse mehr stattfinden. 

Stadtbäume verdursten in städtischer Hitze

Ein zusätzliches Problem: Die Innenstädte sind deutlich heißer als das Umland. Temperaturunterschiede von 7 Grad seien keine Seltenheit – dies entspricht laut Pommnitz drei Klimazonen. Auch Wasser ist in den Städten ein Problem: „Das meiste Wasser verdunstet und geht verloren, nur ein Bruchteil versickert. Aktuell sind unsere Böden sehr trocken, die Bodenspeicher sind leer, weshalb so viele Bäume sterben: Sie verdursten.“

Was vielen im Ausschuss war nicht klar war: Bäume atmen über ihre Wurzeln. Die sogenannten Feinwurzeln eines Baumes benötigen eine ausreichende Belüftung (Bodenluft), um „atmen“ zu können. Dies sei noch viel wichtiger als das vom Baum benötigte Wasser, so der Experte. Eine hohe Verdichtung führe dazu, dass besagte Feinwurzeln nicht ausreichend belüftet werden. Auch eine einfache Rasenfläche stelle für einen Baum schon ein Problem dar. Pommnitz spricht hier vom „Leichentuch des Baumes“.

Lösungen finden

Eine Lösung neben ausreichend Wurzelraum sei die Verwendung von Substraten, die sich nicht mehr stark verdichten lassen können. Hierfür wird laut Pommnitz sogenannter Grobschlag verwendet: große Steine, die im Boden viele Hohlräume schaffen.

Für die CDU Bad Vilbel steht fest: Planen, Bauen und Baumpflege müssen künftig noch enger ineinander greifen und eine Einheit werden – sonst werden es unsere Stadtbäume nicht schaffen. Die alten Modelle zur Baumpflanzung sind überholt.  

Deliah Werkmeister